Vielfalt in den Medien – Vielfalt in den Redaktionen

Veröffentlicht von as am

Eine Gesellschaft, die nicht nur vielfältig ist, sondern sich auch als solche wahrnimmt, akzeptiert und wertschätzt, ist eine solide Basis für jede Demokratie. Vielfalt wird befördert von vielen staatlichen Institutionen, die zum Beispiel Diskriminierung unterbinden (sollen), von zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen, die auf Anliegen unterschiedlicher Gruppen hinweisen bzw. ihre Realisierung einfordern, sowie von einer großen Zahl an Akteurinnen und Akteuren, die die Gesellschaft, in der wir alle leben, sinnvoll, gerecht und divers mitgestalten und zum Besseren verändern wollen.

Vielfalt wird auch befördert durch Medien, wenn sie entsprechende Themen in unserer Mitte platzieren, entsprechendes Wissen verbreiten und so zu einem Diskurs beitragen, der alle miteinbezieht. Solche Themen finden sich in Printmedien, Fernsehreportagen, Webbeiträgen. Der Medienlandschaft insgesamt stünden allerdings noch wesentlich mehr von ihnen gut zu Gesicht.

Viele Medien greifen Aspekte einer vielfältigen Gesellschaft immer wieder einmal auf. Andere haben spezielle Angebote geschaffen, die sich (fast) ausschließlich einem breiten Miteinander bzw. den vorhandenen Hindernissen und Problemen widmen.

Ein besonders gutes Beispiel für ein explizit diverses Format ist „Karakaya Talk“, das 2020 den Grimme Online Award in der Kategorie Kultur und Unterhaltung gewonnen hat. Bei dem YouTube-Kanal kommen besonders People of Color in Videos mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu Pop und Politik zu Wort, die sich und ihre Themen sonst oft nicht in Talkshows wiederfinden. Hier können sie ihre Sichtweisen einbringen und in offenen und zugewandten Gesprächen diskutieren. Mehr zu „Karakaya Talk“ ist auf dem Blog quergewebt zu lesen. Zuletzt war das Format bis Mai 2020 bei funk beheimatet, hat aber in der vergangenen Woche eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um Mitte November wieder eigenständig unter dem Titel „Karakaya Talks“ neue Folgen produzieren zu können.

Diversität ist allerdings nicht nur im Output, in der Produktion und Verbreitung von Meldungen, Analysen und Kommentaren relevant. Bereits beim Social Community Day 2019, der unter dem Titel „Wahrheit. Ohne Alternative.“ stand, diskutierten die Referierenden darüber, dass Wahrheit nicht nur bedeutet, keine Falschinformationen zu publizieren, sondern darüber hinaus auch das Gesamtbild der gesellschaftlichen Realität abzubilden. Unter dem Stichwort „ausgewogene Berichterstattung“ hieß es: „Ein Ansatz, Berichterstattung auch über Situationen und Gruppen zu gewährleisten, die bislang weniger oft medial sichtbar werden, ist: größere Diversität in den Redaktionen.“

Unsere Referentin Minh Thu Tran erzählte damals davon, dass in der Ankündigung einer Sendung, in der die Finanz-YouTuberin Hazel auftreten sollte, kein Foto von ihr, sondern eins der Wissenschafts-YouTuberin und Quarks-Moderatorin Mai Thi Nguyen-Kim verwendet worden sei. Und sie verwies „leicht ironisch darauf, dass Menschen der einen Ethnie manchmal Schwierigkeiten hätten, Menschen ‚anderer‘ Ethnien zu unterscheiden. Dies führe manchmal zu Aussagen in der Art von: ‚Asiaten sehen alle gleich aus.‘ Solche Vorurteile würden geringer, wenn Redaktionen diverser würden.“

Der WDR verfolgt – wie viele andere Sender und Nachrichtenhäuser in unterschiedlichen Ausprägungen auch – eine Gesamtstrategie zum Thema kulturelle Vielfalt. In einer Online-Umfrage befragte der WDR 475 Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in NRW, alle im Alter von 20 bis 40 Jahren, zu ihren Mediennutzungsgewohnheiten, aber auch dazu, was sie sich verstärkt von den Medien wünschen. Zu den Antworten zählten unter anderem: Vielfalt als Normalität, die Sichtbarkeit von mehr Vorbildern mit Migrationshintergrund und eine differenzierte Darstellung von Migrationsthemen. Iva Krtalic, die Integrationsbeauftragte des WDR, sagte hierzu: „Sie wollen sich in den Programmen sehen und auch medial dazugehören. Aber es geht auch darum, die Geschichten der Einwanderungsgesellschaft als Quelle für die Medienarbeit zu verstehen, ihre vielen Perspektiven und Geschichten, damit ein vielschichtiges Bild entsteht.“

Die Ergebnisse der Studie, die neben der Online-Umfrage auch eine vorgeschaltete Diskussion zwischen rund 30 jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus NRW und Programmmacher*innen unterschiedlicher Bereiche umfasste, sind online einsehbar.

Auch beim #SCDay20 wird es um Vielfalt in den Medien und Vielfalt in den Redaktionen gehen. Wir freuen uns sehr, dass Iva Krtalic am 4. November bei uns sein wird.

Iva Kratlic, Integrationsbeauftragte ©WDR/Annika Fußwinkel

Iva Krtalic hat in ihrer Heimatstadt Zagreb für verschiedene Zeitungen und Verlage gearbeitet, bevor sie in den 1990er Jahren nach Köln kam. Im WDR hat sie als Hörfunk-Autorin und Redakteurin gearbeitet und ist seit 2016 Beauftragte für Integration und interkulturelle Vielfalt. Sie arbeitet daran, dass die kulturelle Vielfalt in den Programmen und im Personal des Senders als Teil der Normalität der Gesellschaft sichtbar und hörbar werden. Zu ihren Aufgaben gehören Projekte für die Gewinnung von journalistischem Nachwuchs mit internationalen Biografien, Diskussionen über den medialen Umgang mit den Themen des interkulturellen Lebens, Mitgestaltung von Studien zu Medien und Einwanderungsgesellschaft und andere Projekte zur Stärkung der interkulturellen Kompetenzen im Sender. Iva hat in Zagreb und Berlin studiert und promovierte zum Thema Mediendiskurse der Nation und der kulturellen Unterschiede.