Computerspiel Leons Identität – Interview mit André Spang, Staatskanzlei NRW

Veröffentlicht von lw am

Wer ist Leon?
Leons Identität ist ein detektivisches Abenteuerspiel mit dem Fokus auf der Erforschung einer Spielwelt, die in jedem Detail interaktiv ist. Das Spiel findet dabei im Zimmer des vermissten Jungen Leon statt. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Leons jüngerem Bruder Jonas, der sich auf die Suche nach seinem vermissten Bruder macht. Jonas sucht in Leons Jugendzimmer nach Hinweisen und geht den Umständen seines mysteriösen Verschwindens auf den Grund, wobei er Leons langsames Abdriften in die rechtsextreme Szene nachzeichnet. Zum Ende gelingt es Jonas, Kontakt zu seinem Bruder Leon aufzunehmen – wird es ihm gelingen, Leon von seinen Plänen abzubringen?

Screenshot Website Leons Identität

Für wen ist das Angebot gedacht?
Das Spiel ist für Jugendliche und junge Erwachsene gedacht. Zum Spiel gehört auch eine Website, die sozusagen eine Brücke in die reale Welt schlägt. Hier findet man weitere Informationen zum Spiel, um in die Diskussion einzusteigen, beispielsweise auch im Unterricht oder in Diskussionsformaten. Spieler können sich dort aber auch selbstständig weiter informieren und valide Quellen sichten.

Hier sind drei wichtige Aspekte zu nennen:

  1. Es sollen Jugendliche erreicht werden. Das Spiel soll zur Diskussion anregen und Zielgruppen signalisieren, dass etwas für sie gemacht wird.
  2. Das Ziel ist es, junge Menschen für (hier im Beispiel rechts-) extremistische Einflüsse im Internet zu sensibilisieren und spielerisch den kritischen Umgang und Auseinandersetzung mit Informationen und digitalen Inhalten, also die Medienkompetenz der Spielerinnen und Spieler zu fördern. Im Spiel handelt es sich um eine fiktive Organisation, der in verfremdeter Form Handlungsformen und Narrative der Identitären Bewegung zugrunde gelegt werden.
  3. Die zum Spiel gehörige Website leon.nrw.de ist die Brücke vom Spiel in die reale Welt und bietet weitere Informationen und valide Quellen. Diese sollen den Spieler zur eigenen Recherche anstoßen. Das Stichwort dabei ist für mich „selbstreguliertes Lernen“.

Wie ist die Entstehungsgeschichte von Leon? 
Die Idee, gemeinsam mit dem Verfassungsschutz die Entwicklung eines Spiels in Angriff zu nehmen, ist im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb einer interministeriellen Projektgruppe der Landesregierung zum Thema Medienkompetenz entstanden. Eine der Aufgaben dieser – aus der Staatskanzlei heraus geleiteten – Gruppe ist es, Kooperationsprojekte der beteiligten Ressorts zur Förderung von Medienkompetenz zu initiieren.
Ich selbst habe im Rahmen meiner vorherigen beruflichen Tätigkeit als Lehrender schon oft mit Videospielen und allgemein mit der Methodik der Gamification im Unterricht gearbeitet – und positive Erfahrungen damit gesammelt. Ein Kollege, der für das Ressort Verfassungsschutz an der Projektgruppe teilnimmt, berichtete u. a. von den positiven Erfahrungen des Verfassungschutzes mit Angeboten, die in den vergangenen Jahren auf der Videospielmesse Gamescom gemacht wurden, z. B. mit einem eigenen Stand, an dem sich junge Menschen über die Angebote des Verfassungsschutzes informieren und ins Gespräch kommen können. So entstand die Idee, ein Videospiel in Auftrag zu geben, getragen durch die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure und ihrer jeweiligen Expertise.

Also konkret:
Die Staatskanzlei mit ihrem Wissen um Medienkompetenz und deren Förderung. Unser Auftrag und der daraus entstehende Ansatz ist dabei, den Medienkompetenzrahmen NRW in seinen unterschiedlichen Kompetenzbereichen als Grundlage zu nehmen, für Erwachsene weiter zu denken und dazu dann passgenaue Angebote für die jeweiligen Zielgruppen entwickeln zu lassen.
Ein TOP-Projekt, das in diesem Zusammenhang entstanden ist, ist der #DigitalCheckNRW – ein Test der eigenen Medienkompetenz. Daran angedockt sind ganz unterschiedliche Angebote, wie eben nun auch das Videospiel Leons Identität.
Dann haben wir die Auftragnehmerin, die bildundtonfabrik (btf) mit ihrem Know How im Bereich Gamedevelopment – also, wie man eine Geschichte erzählt und dann technisch zu einem Computerspiel umsetzt.
Und nicht zuletzt der Verfassungsschutz, der mit seinem Wissen unterstützt, wie extremistische Szenen funktionieren und Radikalisierungsprozesse ablaufen können. Diese Synergie und Bündelung der unterschiedlichen Erfahrungen und Inputs, fand in regelmäßigem Austausch unter- und miteinander statt.

Was verspricht sich das Land NRW davon?
Leons Identität wurde so entwickelt, dass es auch Personen Zugang ermöglicht, die bislang wenig mit Politischer Bildung zu tun hatten. Ferner lohnt es nach dem bisherigen Feedback – denn gerade aus dem didaktischen und pädagogischen Raum kommt viel positive Resonanz – das Spiel auch in Lernkontexten einzusetzen. Leons Identität bildet dazu eine gute Grundlage und eignet sich, um es perspektivisch um Handreichungen und Arbeitsunterlagen fortzuentwickeln.
Das Spiel ist bewusst niedrigschwellig und intuitiv entwickelt und soll in erster Linie als Spiel wahrgenommen und auch angenommen werden – diverse Let’s Plays, die man auf YouTube bereits findet, bestätigen diesen Ansatz schon in dieser frühen Phase der Rezeption erfolgreich.
Hier eignen sich z. B. Erklärungen und Kommentare des jüngeren Bruders, um über das Gesehene und Erlebte im Spiel ins Gespräch zu kommen und darüber zu reflektieren.
Leons Identität adressiert nicht den Spieler mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern verhilft den Usern thematisch und kontextbezogen zu einem eigenständigen und selbstreguliertem Lernerfolg.

Leons Identität ist ein Pilotprojekt. Nordrhein-Westfalen geht hier ganz neue Wege und wir versuchen, unterschiedliche Zielgruppen möglichst passgenau anzusprechen – denn nur dann erreicht man sie wirklich. Gemeinsam mit weiteren Akteuren, besprochen z. B. bereits mit der LFM, prüfen wir Anschlussangebote und wollen weitere Materialien entwickeln.
Und wenn mit dem Game Ansprache, Lernen und Prävention gelingt, werden wir prüfen, ob das nicht auch ein guter Weg für andere Themen ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Foto: André Spang

André Spang ist Referent im Referat MN 4 „Digitale Gesellschaft, Medienkompetenz NRW“ der Staatskanzlei NRW. Vorher war er Lehrer für Musik und Religion an einem Gymnasium in Köln, Lehrender an der Universität zu Köln und Medienberater im Kompetenzteam der Bezirksregierung Köln.