Der Blick nach Rechts

Veröffentlicht von lw am

Rechtspopulismus ist allgegenwärtig. Rechtsextremismus auch. Und doch kommen glücklicherweise die wenigsten von uns in zu engen Kontakt damit. Dennoch: Es ist wichtig, immer wieder darauf gestoßen und mit Details konfrontiert zu werden.

Datenjournalismus im Bundestag

Ganz offensichtlich und für jeden nachvollziehbar ist eigentlich das, was die AfD im Bundestag sagt – und doch geht der Umgangston oft in den übrigen Nachrichten unter. Da hilft „Das gespaltene Parlament“. Mit diesem datenjournalistischen Longread beweist die Süddeutsche Zeitung, dass der Ton tatsächlich rauer, unsachlicher und hämischer geworden ist, seit die AfD 2017 in den Bundestag einzog. Wer selbst zu bestimmten Begriffen recherchieren möchte, kann dies in „Darüber spricht der Bundestag“ tun. „Zeit Online“ hat aus den Textdateien der Aufzeichnungen der mehr als 200 Millionen Wörter, die in 70 Jahren Bundestag gesprochen wurden, eine interaktive Datenbank erstellt, die systematisch durchsuchbar ist, nicht nur, aber auch nach rechts besetzten Themen.

Genau hinsehen

Die beiden genannten Angebote waren für den Grimme Online Award nominiert, genauso wie der „Denkangebot Podcast“ von Katharina Nocun. Sie recherchiert immer tief und befragt zahlreiche Experten für die ausführlichen Folgen. Alle sind absolut hörenswert, eine davon widmet sich dem Thema „Rechtsextreme Parallelwelt“. Auch eine Art von Parallelwelt sind rechte Accounts auf Instagram. Sie sehen aus wie harmlose Mama-Accounts und zeigen Fotos voller Heimatverbundenheit. Erst wer genauer hinsieht, stellt fest, dass sich hier sehr viel AfD und Identitäre Bewegung findet. „Correctiv“ hat genauer hingesehen und herausgefunden, dass Instagram hauptsächlich als Verunsicherungs- und Rekrutierungswerkzeug für junge Frauen fungiert. Das dokumentiert die Artikelserie „Kein Filter für Rechts“ unter anderem in Gesprächen mit jungen Frauen, die den Ausstieg geschafft haben. Genauso zeigen sie auf, dass es dem Netzwerk nicht gelingt, rechte Inhalte zuverlässig herauszufiltern. Am 4. November wird Uschi Jonas, Faktencheckerin von Correctiv, Auskunft darüber geben, wie man Aussagen aus der rechten Ecke auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann.

Uschi Jonas

Twitter: @UschiJay

Uschi Jonas hat als Redakteurin und Reporterin bei der deutschen Ausgabe der HuffPost und bei FOCUS Online vor allem zu Klima, Umweltschutz und Nachhaltigkeit recherchiert und geschrieben sowie seit 2018 konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus für breite Themenfelder vorangetrieben. Seit ihrem Masterabschluss in Sozialwissenschaften 2015 hat sie im Rahmen ihres Volontariats und anschließend bei ihrer Arbeit als Online-Redakteurin viele Seiten des Online-Journalismus kennengelernt. Seit Juni 2020 ist sie Faktencheckerin bei CORRECTIV.

Offene und versteckte Hetze

Soziale Netzwerke dienen auch der Vernetzung und Organisation rechter Akteure, dies insbesondere in geschlossenen Gruppen. „Die Insider“ begeben sich in AfD-nahe Gruppen und informieren über ihren Twitter-Account, was sich dort im Verborgenen tut. Offen rechtsextreme oder antisemitische Websites sollte es eigentlich nicht geben – und dennoch findet sich so etwas im Netz. Auf der Website „Judas Watch“ wurde jahrelang Hass und Hetze verbreitet, immer hart an der gesetzlichen Grenze und an der Sperrung vorbei. Inzwischen ist die Seite offline, dank Recherchen von Journalisten, die auch erste Hinweise auf die Hintermänner herausgefunden haben und informieren, wie hart der Weg zur Sperrung einer Website ist, selbst wenn sie Volksverhetzung betreibt.

Angriffe und Geständnisse

Mit rechtem Hass beschäftigt sich auch die Reportage, die Johanna Maria Knothe für den funk-Kanal „Y-Kollektiv“ gemacht hat. Nach dem Mord an Walther Lübcke begleitete sie drei Politiker*innen bei ihrer Arbeit und befragte sie nach ihrem Umgang mit persönlichen Angriffen, die ihnen in Mails und Social-Media-Kanälen begegnen. Inzwischen hat Y-Kollektiv ein weiteres Video nachgelegt, in dem Dennis Leiffels über Angriffe gegen AfD-Politiker*innen und den notwendigen Personenschutz berichtet. Das Y-Kollektiv beteiligte sich auch an der Themenwoche „ExtremLand“ von funk. Im Juli 2020 ging es in den 19 Videos unterschiedlicher funk-Formate nicht nur um Rechtsextremismus, aber auch. Zum Beispiel mit einem heiß diskutierten Video des diesjährigen Grimme-Online-Award-Preisträgers „STRG_F“: Sie veröffentlichten das Vernehmungsvideo mit unterschiedlichen Geständnissen von Stephan E., dem mutmaßlichen Mörder von Walther Lübcke. Eingeordnet wird der Mitschnitt im Video von Julian Feldmann, der unter anderem für „STRG_F“ als investigativer Journalist und Rechtsextremismus-Experte arbeitet. Er wird beim Social Community Day zu Gast sein und berichten, wie es ist, in der rechten Szene zu recherchieren. Von funk ist außerdem Jan-Henrik Wiebe am 4. November in Köln. Er hat den „ExtremLand“-Schwerpunkt koordiniert und kann erzählen, wie viel Raum man rechten Themen und Stimmen in Medien geben sollte.

Foto: © NDR/L. Puscher
Julian Feldmann

Twitter: @jgfeldmann

Julian Feldmann ist Journalist und arbeitet als Autor für das NDR Fernsehen in Hamburg. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie. In seinen Filmen und Beiträgen befasst sich Feldmann überwiegend mit innenpolitischen Fragen, der gesellschaftlichen Reflektion von Geschichte und Phänomen im rechten Spektrum: So berichtet er bei STRG_F, einem Online-Reportageformat des Norddeutschen Rundfunks, über Rechtsextremismus und Terrorismus. Auch für das Politikmagazin Panorama 3 im NDR Fernsehen und das ARD-Magazin Panorama recherchiert er zu Themen der Inneren Sicherheit. Außerdem schreibt er für die Jüdische Allgemeine.

Das Medium Magazin zeichnete Feldmann 2019 als Reporter des Jahres in der Kategorie national aus. Für die ARTE-Reportage „Das ungesühnte SS-Massaker. Ein französisches Dorf kämpft um Gerechtigkeit“ gewann er zusammen mit seinen KollegInnen Fabienne Hurst und Robert Bongen den Deutsch-Französischen Journalistenpreis 2020. Zudem erhielt er im gleichen Jahr – zusammen mit Andrea Röpke und Anton Maegerle – den Leuchtturm-Preis für besondere publizistische Leistungen des Journalistenverbands Netzwerk Recherche. Als Teil des Teams von STRG_F gewann er außerdem den Grimme-Online-Award 2020.

Foto: © funk
Jan-Henrik Wiebe

Twitter: @jan_wiebe
 
Jan-Henrik Wiebe hat Politikwissenschaft und Ostslawistik in Jena und Minsk studiert. Nach seinem Studium volontierte er bei der Thüringischen Landeszeitung, war als Reporter und Redakteur für Thüringen24 unterwegs und deckte Reisen von AfD-Politikern in die Ostukraine und Bergkarabach auf. 2018 ging er in die Hauptstadt zu t-online.de und war für den Bereich Public Video zuständig, entwickelte neue Nachrichtenformate und deckte ein staatliches russisches Mediennetzwerk mit Sitz in Berlin auf. Seit November 2019 arbeitet der junge Journalist in der Recherche-Unit von funk, betreut Formate bei investigativen Recherchen und organisierte etwa den #Extremland-Schwerpunkt.

Erfahrungsberichte aus der Szene

Durchaus umstritten sind YouTube-Kanäle von Aussteigern der rechten Szene. Bis August dieses Jahres hatte die ehemalige AfD-Politikerin Franziska Schreiber ihren eigenen YouTube-Kanal bei Funk. Dort kommentierte sie vor allem aktuelle politische Entwicklungen zwischen Frauenquote und Ausländerkriminalität. Auch auf YouTube berichtet der frühere Rechtsextreme und jetzige Sozialarbeiter und Buchautor Philip Schlaffer über seine Vergangenheit als Neonazi, Rocker und Hooligan.

Welche Angebote gibt es noch, die in der rechten Szene recherchieren und einen direkten Einblick geben? Hinweise nehmen wir gerne per Mail, bei Facebook, Instagram oder Twitter entgegen.


von Vera Lisakowski