Panel 1: „Von Machern und Mahnern“

Veröffentlicht von jr am

scd-2012_0176Markus Beckedahl, Digitale Gesellschaft e. V. / netzpolitik.org
Marion Haag, LDI NRW
Philip Heldt, Verbraucherzentrale NRW
Dr. Christine Ketzer, LAG Lokale Medienarbeit NRW
Frank Tentler, Social-Media-Berater

Frage: Warum ist Facebook so beliebt?
Tentler: „Wir suchen den einfachsten Weg, um mit Menschen zu kommunizieren“.

Die Gefahr besteht jedoch darin, dass Unternehmen etc. dies ausnutzen. Menschen werden an Datenmaschinen ausgeliefert.

Beckedahl: Man ist auch dann bei Facebook, wenn man keinen eigenen Account dort hat. Sehr wahrscheinlich hat Facebook Daten von uns allen. Das ist garantiert eine Datenschutzverletzung, allerdings gibt es da wenig Handhabe.

Frage: Haben Social Media unseren Alltag verändert,  v. a. was das Thema Datenschutz angeht?

Haag: Natürlich haben diese Medien unseren Alltag verändert, allein schon was die Zeiteinteilung angeht. Zudem wissen wir nicht, wie lange Facebook Daten speichert, die über die Facebook-Plugins gesammelt werden. Gleichzeitig nimmt die Wachsamkeit der Nutzer/-innen zu, besonders, was das Hacking von Profilen angeht. Diesem Problem ist nur auf Umwegen beizukommen.

Frage: Facebook soll die Kommunikation erleichtern, dennoch scheint es, dass man den Umgang damit erst lernen muss. Wie wichtig sind Medienkompetenz-Schulungen?

Beckedahl: Ja, Medienkompetenz ist sehr wichtig, dennoch bleibt der Facebook-Kosmos undurchsichtig und unkontrollierbar. Datenschutzeinstellungen bei Facebook sind einfach zu kompliziert.
Haag: Wichtig ist nicht nur, was man selbst einstellt, sondern auch das, was andere über einen einstellen. Informationen über Dritte dürfen nicht ohne deren Einverständnis eingestellt werden à es muss auch Rücksicht bez. der Daten Dritter gelernt werden.

Frage: Anonymität im Netz: Schädlich oder förderlich?

Tentler: Es ist egal, ob ich anonym oder mit Klarnamen agiere. Die Unternehmen interessieren nur die Daten, die ich produziere. Die Zukunft liegt im Bereich „Big Data“, Informationen werden immer mehr auf die Nutzer/-innen zugeschnitten. „Wir müssen die Wurzeln ändern und nicht den Zustand des heutigen Webs.“

Frage: Wie kann man diese Wurzeln des Web ändern?

Heldt: Die Verbraucherzentrale kann hierbei helfen, z. B. bei der „Übersetzung“ von AGBs. „Konsum muss gelernt werden, auch der Internetkonsum muss gelernt werden.“ Allerdings sind die Unternehmen selbst auch gefragt, sie sollten ihre Inhalte verständlicher formulieren. Gerade ältere Verbraucher/-innen sind eine Risikogruppe, weil ihnen oft die Medienkompetenz fehlt.

Dr. Ketzer: Im Themenbereich der Inklusion würde ebenfalls eine einfache Sprache helfen, um vor Manipulationen zu schützen.
Haag: Es gibt Versuche, mit den Produzenten zusammenzuarbeiten, das LDI hat dies z. B. mit einem Spieleanbieter in NRW versucht. Nicht nur Medienkompetenz, auch Grundlagen der Kommunikationstechnik wären wichtig zu erlernen.

Frage: Wie unterscheiden sich diese Grundlagen on- und offline?

Tentler: Nutzer/-innen halten Facebook nach wie vor für einen privaten Raum. Dies müsste stärker in die Aufklärung einfließen, denn Daten werden immer stärker miteinander vernetzt.

Frage: Wird die Sprache möglicherweise auch absichtlich kompliziert gehalten, als Verschleierungstaktik genutzt?

Dr. Ketzer: Sprache hat immer mit Macht zu tun, natürlich werden Zusammenhänge auch mit Absicht kompliziert gehalten, es geht um Grenzziehungen. Allerdings sind juristische Sachzusammenhänge mitunter auch nur schwer in allgemeinverständliche Worte zu fassen.

Frage: Wieso haben sich datenschutzfreundlichere Netzwerke nicht durchsetzen können?

Beckedahl: Schüler- und StudiVZ haben einfach aufgehört, in ihre Innovationen zu investieren, ihr Scheitern lag nicht an den Datenschutzbestimmungen; Facebook und Google + sind hingegen in einer ständigen Innovationskette.

Tentler: Facebook ist auch eine Modeerscheinung; Facebook ist nett, man bewegt sich jedoch außerhalb von Recht und Gesetz, das muss den Nutzer/-innen bewusst sein: „Ein Abhörsystem gigantischen Ausmaßes“, Facebook ist „keine heile Welt“; hier sieht Tentler auch oder vor allem die Politik in der Pflicht; auch die öffentlich-rechtlichen Medien sind hier in der Pflicht: Bei Social Media handelt es sich um ein „Schwert“: „damit kann man Brot schneiden, man kann Leute aber auch ausbluten lassen“.

Haag: Öffentlich-Rechtliche und Politik sind in einer schwierigen Position: Sie verantworten nicht das Funktionieren dieser Plattformen, man zieht die Nutzer-/innen jedoch dort hin, provoziert die Datenproduktion; Bürger/-innen bezahlen mit ihren Daten.

Caspers: Die Öffentlich-Rechtlichen sind sich der Problematik durchaus bewusst: „Man gibt etwas aus der Hand“.

Tentler: Man kommt aus der „Todesfalle“ Facebook auch heraus, wenn man den Mut hat, alternative Wege zu nutzen; Beispiele hierfür sind Lady Gaga und der FC Bayern München. Wir suchen Vernetzung, diese kann auch auf anderen Wegen stattfinden. Facebook ist vor allem eine Werbeplattform, das muss man wissen.

Frage: Wie funktioniert die Kommunikation der Verbraucherzentrale, die noch auf persönliche Begegnungen setzt?

Heldt: Stärke der Verbraucherzentrale liegt im persönlichen Treffen, die jüngere Generation nutzt jedoch das Internet, insbesondere die Facebook-Seite der VZ. Auch in der VZ gab es Diskussionen um den Einsatz von Facebook, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, musste die VZ jedoch stärker ins Web gehen.

Frage: Wo gibt es Alternativen zu den „privatisierten Öffentlichkeiten“?

Beckedahl: Das geht nicht von heute auf morgen, man muss sich als (Welt-) Gesellschaft darum kümmern; die Zukunft liegt in offenen Standards oder in vertrauenswürdigen Providern, die beispielsweise durch öffentliche Gelder bezahlt werden; die Loslösung vom Monopol großer Unternehmen ist gefragt.

Tentler: Es gibt keine internationalen Standards für Öffentlichkeit, das muss jeder selbst entscheiden; wichtig ist jedoch, dass man diese Entscheidungen überhaupt treffen kann.

scd-2012_0080Frage: Wer darf mitmachen? Wer bleibt draußen?

Dr. Ketzer: Menschen mit Behinderung nehmen das Internet als Chance wahr; Internet ist eine Möglichkeit zur Teilhabe, auch Social Media; natürlich gibt es hier noch „Optimierungsbedarf“; nicht nur in den realen, auch in den virtuellen Räumen gibt es in Sachen Barrierefreiheit noch Nachbesserungsbedarf.

 

Fazit: Was auch schon in der Eröffnungsrede anklang: Es gibt kein Schwarz-Weiß!

Diskussion:

Kritik aus dem Publikum: Facebook steht zu stark im Zentrum, Google+ sollte aber mindestens genauso viel Beachtung finden. Faustregel, an der sich Konsument/-innen orientieren könnten: Alles, was man ins Netz einstellt, bleibt auch da.
Beckedahl mahnt hier jedoch zur Differenzierung: Es verschwinden durchaus Dinge aus dem Netz, was das Problem der Archivierung aufwirft: Wer archiviert eigentlich all das, was gerade im Netz passiert?

Auch Haag betont, dass das Internet durchaus vergessen kann. Sie plädiert jedoch für ein „Recht auf Vergessen“: die Nutzer/-innen soll bestimmen dürfen, wie lange welche Inhalte zu finden sind.

Tentler bringt das Problem der „bösen Daten“ auf: Daten, die durch unbedarfte Nutzung entstehen und von Unternehmen genutzt werden. „Big Data“ kann jedoch auch zur Verbesserung von Umweltschutz und Demokratisierung genutzt werden. Bringt die Niederlande als Vorbild an.

Provokative Frage: Was ist eigentlich schlimm an personalisierter Werbung?

Beckedahl: Nicht grundsätzlich schlimm, allerdings „möchte man gefragt werden“.

Tentler: In Zukunft werden wir die Werbung gar nicht bemerken, sie wird uns einfach zugeschoben werden.

Handlungsempfehlung aus dem Publikum zum Thema Internet und Vergessen: Alles kann publik werden, es kann jedoch auch alles verschwinden, darum lokale Sicherung.

Kritische Nachfrage: Wo bleibt der Aspekt des „Machens“? Wenn man Facebook nicht nutzen soll, wo soll man dann „machen“?

Heldt: Mahnen und Machen schließen sich nicht aus; es geht nicht um Blockaden, sondern darum, „es besser zu machen“; „Mahnen ist ein aktives Gestalten hin zu einem Besseren.“

Dr. Ketzer: Es geht auch darum, Möglichkeiten aufzuzeigen.

Tentler: „Gamification“ als Schlüssel: Spielerisches Lernen.

Haag: In der Tat ist Facebook ein zweischneidiges Schwert: ein wichtiges Kommunikationsmittel für Kommunen, das aber nicht zum alleinigen Kanal werden sollte; zentral ist der bewusste Umgang mit dem Medium.

Frage: Wie kann man noch Neues erleben, wenn immer alles personalisiert, auf einen zugeschnitten ist?

Anmerkung aus dem Publikum: Facebook ist auch eine Chance zur Steigerung von Partizipation und Beschleunigung der Kommunikation; Gefahren müssen jedoch aufgezeigt werden.

Kritik aus dem Publikum: In Sachen Datenschutz sollte weniger mit Verboten und mehr mit Verständnis gearbeitet werden: „Digitale Alphabetisierung“.


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